Magic Knight Rayearth

  • Plattform: Super Nintendo
  • Release: 29.09.95 (J)

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass der beliebte Manga des beliebten Zeichenquartetts CLAMP nach einer ebenso beliebten ersten TV-Staffel auch eine Videospielversoftung hervor brachte. Einen gewissen Bekanntheitsgrad entwickelte dabei im Westen das Action-Adventure auf dem Saturn, das von Sega stammt und dank Working Designs rüber gebracht wurde. Ungefähr zeitgleich, aber vollkommen davon unabhängig, werkelte Tomy auch an einem RPG für den GameBoy und das Super Nintendo.

Die Geschichte hält sich dabei sehr genau an den Manga, nutzt allerdings 1 oder 2 Charaktere, die mir aus diesem nicht bekannt sind und wohl für die umfangreichere TV-Staffel hinzuerfunden wurden. Im Klartext bedeutet das, dass man auch hier zuerst mit einem sehr typischen Standard-RPG-Plot in falsche Sicherheit gewiegt wird. Die drei Mädels Hikaru, Umi und Fuu werden bei einem Schulausflug zum Tokyo Tower plötzlich in eine fremde Fantasy-Welt gerufen (because shit always happens around Tokyo Tower). Dort verliert ein Magier dann auch direkt keine Zeit und erklärt ihnen, dass sie die Magic Knights sind und diese Welt zu retten haben, da Prinzessin Emeraude von Bösewicht Zagato entführt wurde. Legendäres Mineral finden, um besondere Rüstung zu erhalten; drei Elemtartempel besuchen, um Unterstützung des bewohnenden Wesens zu erhalten und auf ins Finale gegen Zagato. Einen typischeren Plot könnte es gar nicht geben. Erst ganz am Ende, wenn man es schon längst nicht mehr erwartet, kommt eine fiese Wendung, die einen überraschend trifft und das dramatische Finale einläutet. Wobei die Trauer gegen Ende im Gegensatz zum Manga hier etwas runtergespielt wurde.

Dummerweise verlangt das Spiel einem dadurch ein ganzes Stück an Durchhaltevermögen ab, bis man zum interessanten Teil der Story kommt. Was der Manga an interessanter und charmanter Erzählweise wettmacht, füllt das Spiel allerdings mit absoluter RPG-Standardkost im Gameplay.

Zufallsgenerierte Kämpfe werden mit einem rundenbasierten Kampfsystem gekoppelt, in dem die üblichen Aktionen zur Verfügung stehen. So schnetzelt man sich dann in der Hand voll Locations durch die Zufallsgegner, bis einer der genannten 5 wichtigen Orte erreicht und der beheimatete Boss zur Strecke gebracht wurde. Die 3 Mädels kämpfen dabei nicht immer nur alleine, sondern bekommen Storybedingt hin und wieder kurzzeitig einen vierten Charakter hinzu.

Der Schwierigkeitsgrad lässt dabei keine Schweißperlen aufkommen. Alle Kämpfe sind innerhalb von 2 bis 3 Runden des normalen Draufknüppelns entschieden und nur wenige Gegner können unsren Mädels auch nur einen Kratzer zufügen. Und selbst wenn sie mal angeschlagen sind ist ein Speicherpunkt, der die HP und MP komplett heilt, nie sonderlich weit. Im allergrößten Notfall hat man zudem noch die Magie von Fuu, deren allererster Zauber für lumpige 2MP einen Charakter komplett heilt. Bestes Preis-Leistungs-Verhältnis in einem RPG ever. Angriffsmagie braucht man eigentlich nur für die Bosskämpfe, wobei sie hier auch nicht unbedingt nötig wären, aber zumindest dafür sorgen, dass die Geschichte innerhalb von wenigen Minuten gegessen ist.

Die einzige kleine Besonderheit im Gameplay von MKR ist die Tatsache, dass Waffen und Rüstung der Mädels mit Gebrauch leveln. Da man allerdings nie selbst zwischen zwei Stücken die Wahl hat, sondern Storybedingt die Ausrüstung automatisch aufgebessert wird, entbehrt das System jeglicher Taktik, da sie ja eh jederzeit auf eine Rüstung und Waffe gemünzt sind. Das waren paradoxerweise auch die einzigen Momente, zu denen die Gegner mal etwas mehr Schaden ausgeteilt haben: Nach Storybedingtem Upgrade der Ausrüstung startet diese nämlich wieder bei Level 1, wodurch für die nächsten paar Kämpfe die eigentlich bessere Rüstung schwächer als die vorige gelevelte ist.

Apropos Leveln – das muss man im Spiel nie. Zu den leichten Gegnern und quasi kostenloser Heilung kommt nämlich eine überraschend hohe Rate an Zufallsbegegnungen. Schwerer wird das Spiel dadurch allerdings nicht, sondern da die Mädels im Schnitt nach jedem dritten Kampf ein Level steigen, eher noch leichter. Und nerviger. Niemand mag es alle paar Schritte mit Gegnern bombardiert zu werden – vor allem, wenn sie so nutzloses Kanonenfutter sind. Weniger wäre hier weniger nervig gewesen und hätte eventuell sogar den Schwierigkeitsgrad in den Bereich der Beinahe-Existenz gebracht. Das ohnehin schon unter 10 Stunden beendbare Spiel allerdings um noch einige Stunden erleichtert, da die meiste Zeit davon eben in Kämpfen verbracht wird.

Letztendlich ist dann Geld zudem auch noch überflüssig, da Rüstung nicht käuflich zu erwerben ist und Items durch die billigen Heilzauber und bis zu Bosskämpfen aufsparbahren MP der Angriffszauber keinerlei Nutzen haben.

Technisch macht das Spiel eine passable Figur, stinkt gegenüber der Konkurrenz aber ordentlich ab. Immerhin ist es 1995 erschienen, dem Jahr von Chrono Trigger – Final Fantasy VI und Breath of Fire Fire II waren gar ein ganzes Jahr alt. Die Charaktersprites sind groß und knuffig, die Attacken der Gegner immerhin animiert. Zudem fangen die Portraits in den Textboxen der wichtigsten Charaktere und ein paar wenige Anime-Standbildeinblendungen das Design von CLAMP sehr gut ein. Die Locations sind hingegen eher langweilig gestaltet und das Spiel hat schätzungsweise noch nicht mal 10 verschiedene Gegnersprites, die man in verschiedener Einfärbung und Stärke immer wieder vorgesetzt bekommt. Grundsätzlich habe ich kein großes Problem mit Palette Swapping, wenn mir aber bei einem Spiel mit einer Hand voll Locations und einer Spielzeit im einstelligen Stundenbereich ab der Hälfte permanent auffällt, dass ich die Gegner doch alle schon drei bis fünf Mal in anderer Farbe zu sehen bekommen habe, läuft was schief.

Die Musik ist ganz nett, ich nehme Mal an direkt aus der TV-Serie stammend. Keine Meisterwerke, aber ganz passend. Zumindest die Kampfmusik hat mir sehr gut gefallen, was ein Segen ist, wenn man bedenkt, wie viele man davon durchzustehen hat.

Fazit:
Magic Knight Rayearth für das SNES schwächelt eigentlich an allen Ecken und Enden. Der Standard-RPG-Plot des Manga wird hier ohne die tragende Spannung und Charme, dafür aber gekoppelt mit viel Standard-RPG-Gameplay umgesetzt, was unterm Strich leider zu einem sehr langweiligen Spielerlebnis führt. Da rettet auch das gewohnt tolle Ende nichts. Der nicht vorhandene Schwierigkeitsgrad mag noch verständlich sein, wird das Spiel im Fahrwasser der ersten TV-Staffel sich wohl an ein eher junges Publikum richten, bringt mit der hohen Rate an Kanonenfutter-Gegnern dem Spieler allerdings auch nicht mehr Freude. Immerhin ist man schnell durch. Auf dem SNES gibt es zwar sicherlich auch schlechtere RPGs, aber ein so simples, minimalistisches und durch und durch durchschnittliches Standard-RPG wie MKR muss man nun wirklich auch nicht gespielt haben.

4 von 10 Punkten