Ultima IV: Quest for the Avatar

  • Plattform: Master System
  • Release: 1990 (US), 1990 (EU)

Mit Ultima hat Richard Garriott eine der ersten kommerziellen RPG-Serien geschaffen, so dass er bereits im jungen Jahr 1985 beim vierten Teil ankam. Im Gegensatz zu den recht banalen Vorgängern nahm er sich diesmal ganz ambitioniert vor dies von anderer Seite aufzurollen, und die Rollenspiel-Standards zu hinterfragen. Spieler, die keinen PC aber dafür ein Master System ihr eigen nannten, durften sich sogar über eine Portierung freuen, die im Gegensatz zu den Nintendo-Versionen der Ultimas sogar sehr getreu dem Original blieb.

Quest for the Avatar hat keine große Handlung um einen bösen Schurken, der das mittelalterlich-fantastische Land bedroht, und dessen Legionen an blutrünstigen Monstern besiegt werden müssen, um Erlösung zu bringen. Nein, dies ist bereits in den vorigen 3 Teilen geschehen, Brittannia obwohl noch mit Monstern bestückt, lebt eigentlich im Frieden. Das muss dem herrschenden Lord British etwas langweilig geworden sein, und so bestellt er sich einen Erdenbürger herbei, der den Jesus für seine neue Religion spielen darf.

Denn Richard Garriott, selbig genannt Lord British, hat mal hinterfragt, ob der reine Massenmord an Monstern einen wirklich zum Helden macht. Heldentum rein daran bestimmt wird, wie blutig das eigene Schwert ist. Vor allem, wenn man wie in vorigen Ultimas am schnellsten Fortschritt hinbekommt, wenn unschuldige Wachposten ob ihrer Erfahrungspunkte gemordet und friedliche Stadtbewohner ob des Goldes ausgeraubt werden. Nicht gerade sehr Tugendhaft, was man in RPGs so teilweise alles treibt.

Und eben deswegen ist Ultima IV aufgebaut auf die drei Pfeiler aus Mut, Wahrheit und Liebe, aus denen sich dann wiederum 8 Tugenden ableiten. Diese sind relativ universell gültige Prinzipien wie „du sollst nicht Lügen“, „du sollst nicht stehlen“, „sei mutig“, „sei bescheiden“, „helfe den Bedürftigen“ etc. pp. Einen Großteil des Spieles wird der Spieler also nicht dazu ermutigt in Kerkern möglichst viele Gegner zu bezwingen und nach Schätzen zu suchen, sondern die Welt karitativ zu einem besseren Ort zu machen und der Bevölkerung ein Vorbild zu sein. Held zu sein bedeutet hier zu einem Gandhi oder einer Mutter Theresa zu werden, nicht Conan der Barbar.

Prinzipiell führt das häufig allerdings nur zu einer anderen Art des Grinds. Wiederholt Blut zu spenden, bei blinden Ladenbesitzern einzukaufen und sie nicht zu prellen, Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten, Bettlern etwas Gold zuzustecken und solche Dinge, bis im Zirkel einer Tugend meditiert und Erleuchtung erlangt werden kann, ist eine andere Art des Grinds, aber doch ein Grind. Manche Dinge sind natürlich einfacher nebenher schon zu leveln als andere. Beim Begehen der Lande böse Monster zu besiegen und harmlose Kreaturen ziehen zu lassen und bei den Einkäufen immer den richtigen Preis zu bezahlen, wird eh während des Spielens geschehen. Für die richtige Spiritualität zu beten oder Aufopferung Blut zu spenden ist wiederum etwas, was bewusst wiederholt getan werden muss.

Das alles soll natürlich nicht bedeuten, dass sich Ultima IV komplett von allen Konventionen eines RPGs lossagt. Tatsächlich wird auch in 8 Dungeons gegangen, um dort magische Steine zu holen, sowie das Finale des Spieles mit einem mehrstündigen Trip durch ein weiteres besiegelt. Mit ein paar Rätseln und ganz vielen Kämpfen bestückt. Doch dennoch scheint dies eher so ein Nebenprodukt hier, und einen großen Oberboss gibt es nirgends zu finden, die spirituelle Erleuchtung zu erlangen scheint wesentlich wichtiger zu sein.

Das ist auch gar nicht so übel, denn die Kämpfe in Quest for the Avatar können mit der Zeit schon etwas langweilig werden. Ist man gut ausgerüstet, und hat vor allem auch reichlich Zutaten gekauft, um mit Magien im Notfall nur so um sich schießen zu können, sind die wenigsten wirklich fordernd. Aber gerade gegen Ende, wenn ein volles 8er-Team gegen ebenso zahlenmäßig angestiegene Monster antreten, dauert es eine Weile, bis alle auf dem Schlachtfeld strategisch positioniert sind und jeder an der Reihe war. Wie gesagt kann dankenswerterweise viel Kämpfen umgangen werden, wenn keine Lust darauf besteht, erst der finale Stygian Abyss etwas langwierig werden, und auch erst hier ist ein volles Kämpferteam vom Spiel vorgegeben, vorher kann immer noch allein durch Brittannia gereist werden, was die Gegnergruppen auch kleiner hält.

Ein großer Fan vom sehr schlichten Aussehen der frühen Ultimas war ich persönlich nie, mit ihren teilweise extremen Farbkombinationen und den minimalistischen Sprites, die von der Seite gesehen werden, während die Restwelt eine direkte Draufsicht von oben offeriert. Aber immerhin lässt sich das Ding so auch problemlos aufs Master System bringen, von kleinen Zugeständnissen wie den Text-Parser gegen ein Schlagwort-Menü auszutauschen mal abgesehen. Musikalisch ist das Spiel eher unauffällig bis eigentlich gar nicht vorhanden.

Fazit:
Ich war doch tatsächlich überrascht was für ein frisches Spielerlebnis ein so altes Spiel einem geben kann. Ultima IV schwimmt bereits gegen alle Konventionen des damals noch jungen Genres, die selbst heutzutage fest verankert geblieben sind, und mit Quest for the Avatar so gezielt das zu hinterfragen ist interessant. Lässt sich auch noch, wenn die Optik und einige obskure Lösungen nicht abschrecken, relativ gut spielen.

7 von 10 Punkten