Clock Tower 3

  • Plattform: PS2
  • Release: 12.12.02 (J), 18.03.03 (US), 25.06.03 (EU)

1999 läutete fast das Ende von Clock Tower ein. Nach einem Kulthit auf dem SNES in 1995 und zwei Sequeln auf der PlayStation, sowie 3 Ports des Erstlings auf jene, den PC, und zuletzt ausgerechnet dem monochromen WonderSwan, ging Serien-Macher Human Entertainment ein. Doch ganz fallengelassen wurde die Franchise nicht. Survival-Horror-Veteran Capcom nahm sich stattdessen ihrer an, und lies mit Clock Tower 3 von Sunsoft vier Jahre später einen weiteren Teil auf die Menschheit los.

Im Internat bekommt Alyssa (nein, das ist nicht das Mädel aus dem vorigen Teil, Clock Tower 3 ist eine eigenständige Geschichte, die nur gerne viele Callbacks an die anderen Teile beinhaltet) einen Brief ihrer Mutter, der nicht für sie gedacht ist, sondern für den Spieler, denn er beinhaltet nur Dinge, die Alyssa bereits bekannt sind, aber wem hat schon je ein wenig Story Exposition geschadet? Jedenfalls endet er noch mal mit der expliziten Warnung auf keinen Fall nach Hause zu kommen. Als Survival-Horror-Protagonist hat Alyssa den Selbsterhaltungsinstinkt eines Lemmings und reist umgehend dort an, trifft statt ihrer Mutter allerdings nur auf ein fast leeres Haus, abgesehen von einem seltsamen alten Kerl, der sie kryptisch belabert und etwas unkomfortabel antatscht. Also bleibt Alyssa im leeren Haus um ihre dort nicht auffindbare Mutter zu suchen. Nur um in ein Zeitloch nach 1942 zu fallen, wo sie in den zerbombten Londoner Straßen auf den brutal ermordeten Geist eines Mädchens trifft, sowie vom Stalker Sledgehammer verfolgt wird, der auch ihr mit seinem Hammer den Schädel einschlagen will.

Das mit der Zeitreise ist jedoch erst der Anfang des Irrsinns in Clock Tower 3. Die Spiele hielten sich schon immer nahe am B-Horror, von daher sind einige fragwürdige Einfälle auch leicht zu schlucken, solange sie zur Atmosphäre passen. Und die ist in Clock Tower 3 zunächst (meist) stimmig. Vom leeren zu Hause mit dem mysteriösen Alten geht es also zum fiesen Sledgehammer in die Hintergassen, inklusive brutalem Flashback zum Mord an der Pianistin. In der nächsten Etappe geht es gegen Corroder, der ein blindes Mütterchen und ihren Sohn bei lebendigem Leibe in einem Säurebad ertränkt hat, und nun mit Sauserstoffmaske und Spraypistole Alyssa durch noch engere Gassen und Gebäude jagt. Doch schon hier stellen sich erste tonale Diskrepanzen ein. Hauptsächlich wenn Alyssa, nachdem sie eine halbe Stunde vor den Stalkern panisch geflohen ist, mehr oder weniger grundlos stehen bleibt, meint es reicht jetzt, und aus der Luft einen magischen Pfeil und Bogen beschwört, um in einem Bosskampf plötzlich doch zurückschlagen statt nur fliehen zu können.

Nach jenen zwei Stages erscheint der Clock Tower. Nicht zu der coolen Musik wie im Opening, sondern während Alyssa hysterisch lacht zu einer Techno-Rave BGM als stünde ein Kampf gegen Neclord bevor. Die nächsten Stalker beinhalten einen Boss aus Devil May Cry mit Klischee-schwulem Verhalten, zwei noch schrillere Kefkas für Arme, und einem schlechten Jack-Sparrow-Cosplay. Die Vorfahren von Alyssa legen ein kleines Dance Off ein, und sie selbst verwandelt sich fürs Finale komplett in ein Magical Girl. Und irgendwo zwischendrin weiß man nicht, ob man weinen, lachen, oder nur den Kopf schütteln soll. Bei der überbordenden Story voller schräger Einfälle und seltsamer Halb-Erklärungen schaltet das Hirn irgendwann ab und man bekommt kaum noch mit, dass Alyssas Kräfte bestenfalls per Ausreden erklärt werden, oder Lord Barrows absolut keinen Sinn ergibt.

Vom Gameplay her hat sich übrigens auch einiges geändert. Macht Sinn, denn die vorigen Spiele waren Survival Horror meets Point and Click Adventure, allerdings mit stärkerem Augenmerk aufs Adventure. In 2003 und auf der PS2 ist Capcom natürlich mehr darum bedacht die Franchise stärker auf Action und das Survival Horror zu trimmen. Es kann also nicht mehr jederzeit per Continue dort angefangen werden, wo der Protagonist gestorben ist, stattdessen lediglich an den Speicherpunkten und Beginn der Bosskämpfe, damit ein Verlust auch was bedeutet. Die Killer sind wesentlich aktiver, statt teilweise fünfzehn und mehr Minuten so einen schon mal von der Backe zu haben, kann Alyssa eigentlich keine zwei Räume gehen, ohne dass die „Du bis am Arsch“-Musik zu spielen beginnt. Dafür kann Alyssa sich besser wehren, und damit sind nicht nur die deplatzierten Bosskämpfe gemeint. Denn sie hat eine Phiole mit heiligem Wasser dabei, die auf die Gegner gespritzt sie kurz unschädlich machen, wobei kurz darauf die Verfolgung wieder aufgenommen wird, Alyssa wird sie erst dann wirklich (temporär) los, wenn sie ein Versteck gefunden hat. Das jetzt allerdings theoretisch überall sein kann. Es gibt zwar immer noch fest gesteckte Punkte wie hinter Wandvorhängen oder in einem Wandschrank, in denen sich auf jeden Fall versteckt werden kann, doch theoretisch ist alles, hinter dem ein Stalker sie nicht sieht, ein mögliches, also auch eine Statue mitten im Raum.

Diese konstante Action lässt wenig Raum zum Verschnaufen und sich aus dem aktuellen Gebiet puzzeln, weswegen der Adventure-Teil gegenüber den Vorgängern stark reduziert wurde. Die Lokalitäten sind recht eng abgesteckt, und allzu viel in ihnen zu tun gibt es nicht, was gemacht werden muss ist schnell ausfindig gemacht. Die Schwierigkeit ist also nicht zu wissen, was zu tun ist, sondern es dann auch zu schaffen, während der Stalker alle Nase lang versucht Alyssa einen Kopf kürzer zu machen. Die hat mit dem Panik-Meter übrigens eine umgedrehte Lebensleiste. Alles, was sie verstört, besonders natürlich Attacken der Gegner, füllt die Leiste auf. Ist sie auf Maximum wird die panische Alyssa nicht nur schwerer steuerbar, sondern ist mit dem nächsten Treffer auch ein Game Over erreicht.

Besondere Erwähnung finden müssen noch die Bosskämpfe. Nicht nur wirken sie fehl im Clock-Tower-Spielkonzept, nein sie sind auch schlecht designt. Entschließt sich Alyssa also, dass sie keinen Bock mehr zum Sprinten hat, und stattdessen lieber nun zur Etappe Bogenschießen übergehen möchte, stehen wir dem Stalker mit beiderseitiger Lebensleiste in einer Arena gegenüber. Hauptproblem hierbei ist, dass Alyssa sofort an den aktuellen Platz festgeklebt wird, wenn sie den Bogen spannt, und sich nicht mal mehr stationär drehen kann. Läuft der Stalker also nicht direkt geradlinig auf Alyssa zu, kann ein Treffer vergessen werden, stattdessen heißt es mehr panisch rumlaufen, bis wieder genug Luft zwischen den beiden ist, um ihn spannen zu können, diesmal hoffentlich mit schön doofer Gegner-KI. Denn wirklich Schaden tut nur ein Superschuss, für den der Bogen oft genug per dauerhaftem Drücken aufgeladen werden muss. Vom finalen Boss reden wir am Besten gar nicht erst, ich gebe nur mal den Tipp die Spezialpfeile alle für ihn aufzuheben, wenn der Kampf lieber eine Viertelstunde statt eine Dreiviertelstunde im Zermürbungskrieg dauern soll.

Ich glaube schon das Capcom hoch auf das Clock Tower Revival gesetzt hat. Und zwar nicht nur, weil Clock Tower 3 zusammen mit Resident Evil Zero und Breath of Fire V zu den Spielen gehörten, dank denen sie ihren Jahresbericht an Umsatz stark nach unten revidieren mussten. Sondern auch, weil man hier eindeutig Production Valures reingestopft hat. Clock Tower 3 sieht verdammt gut aus, hört sich verdammt gut an, und auch die Sprachausgabe ist gut gelungen. Alles prinzipiell gesehen erst Mal zumindest, wie gesagt ist Art und Voice Direction der letzten drei Killer wieder etwas fragwürdig. Mit Kinji Fukasaku (u.A. Battle Royale) haben die sich sogar einen erfahrenen Film-Regisseur kommen lassen. Die Cutscenes haben dadurch eine sehr gute und cineastische Kameraführung. Nur auch hier wieder ein Abstrich: Motion Capture. Nette Idee, doch die PS2-Modelle so überanimiert zu sehen ist eigentlich nie nicht unfreiwillig komisch.

Fazit:
Bei Clock Tower 3 stellen sich mir gemischt Gefühle ein, weil es auch einfach ein sehr gemischtes Spielerlebnis ist. Für jeden guten Einfall, für jeden Moment echt fieser und düsterer Atmosphäre, gibt es wieder einen dummen Einfall und eine totale Stimmungskehrtwende, die das Spiel fürs MST3K prädestinieren. Spielerisch insgesamt zwar Ok, ist das passende Hauptschlagwort wohl echt „unausgegoren“.

5 von 10 Punkten