Digital Devil Saga

  • Plattform: PlayStation 2
  • Release: 15.07.04 (J), 05.04.05 (US), 21.07.06 (EU)

Nachdem der lange überfällige dritte Hauptteil Shin Megami Tensei auf die neue Konsolengeneration gehievt hatte, dort sogar ein aufgepimptes Re-Release bekam, sollte die Franchise auf der PS2 sukzessive auf Hochtouren laufen. Beispielsweise mit dem Doppelspiel Digital Devil Saga, dem letzten Projekt, an dessen Konzeption Cozy Okada beteiligt war, nachdem der bisherige Franchise-Leiter kurz nach Nocturne Atlus verließ.

Wenn man in einer tristen, grauen Welt unter ständigem Regen lebt, und selbst zu keinerlei Emotionen fähig ist, wundert man sich sicherlich auch wenig, warum besagte Welt ausgerechnet den unattraktiven Namen „Schrottplatz“ trägt. Worüber sich Stammesleiter Serph und seine Truppe der Orange-kodierten Embryons schon eher wundern, ist eine plötzlich aufgetauchte Cyber-Artischocke, die genau zwischen ihrem und dem Stammesgebiet der Grün-kodierten Vanguards steht. Ein Bruch des wackeligen Friedens?

Nö, denn die Vanguards tauchen genauso überrascht am Schauplatz auf, und noch bevor alles richtig eskalieren kann, eskaliert lieber die Artischocke an sich, in dem sie schlichtweg explodiert und in allen beteiligten eine Dämonenform entfacht, zu der verwandelt sie sich gegenseitig fressen. Im Krater zurück bleibt in nacktes Mädchen. Kaum haben die Embryons anfangen können sich Fragen danach zu stellen, wer dieses Mädchen ist, was ihr Auftauchen bedeutet, oder wie man mit dem entfachten Kannibalismus weiterleben kann, und wo all diese neuen Emotionen plötzlich her kommen, werden die Anführer der fünf Stämme auch schon in den Karma-Tempel gerufen. Wo ihnen schnöde gesagt wird, dass die Zeit des Friedens vorbei ist, welcher Stamm auch immer alle anderen besiegt darf nach Nirwana.

Und daraus besteht bereits das erste Digital Devil Saga in seiner Komplettheit: Die anderen Stämme besiegen und den Karma-Turm zu erklimmen, um nach Nirwana zu gelangen, mit einem fetten Cliffhanger gerade wenn dorthin übergegangen wird. Denn Digital Devil Saga ist ein Spiel, welches in zwei geteilt auf den Markt geworfen wurde, also ähnlich .hack// und Golden Sun gestaltet ist, nur nicht ganz so auf sich allein gestellt enttäuscht wie diese beiden Vertreter des Gimmicks. Jedoch ein komplett für sich allein funktionierendes Spiel wie mit den beiden Hälften von Persona 2 sollte ebenso nicht erwartet werden. Digital Devil Saga hört eindeutig mittendrin auf, gerade wenn es vom Hauptschauplatz Junkyard zum zweiten Hauptschauplatz Nirvana geht, welches die Lokalität für das Geschehen von Digital Devil Saga 2 darstellt. Thematisch sogar eine ganz passende Teilung, allerdings führt dies dennoch dazu, dass das erste Digital Devil Saga zwar viele Fragen aufwirft, aber nur wenige Antworten andeutet, so gut wie keine wirklich direkt gibt, denn für all jene Offenbarungen gibt es eben den Nachfolger.

Wer allerdings mit jener Aufsplittung des Spieles leben kann, was heutzutage sicherlich sogar noch einfacher zu schlucken ist, weil sowohl Episodic Content keine Seltenheit mehr darstellt, und für die beiden PS2 Classics nicht je Vollpreis verlangt wird, bekommt durchaus auch hier schon eine interessante Handlung geboten. Eben eine ohne Auflösungen, aber die Fragen die sich stellen, die langsam-subtile Veränderungen in den zunächst stoischen Charakteren, und die vielen kleinen und großen Andeutungen, auf denen basierend schon eigene Schlüsse gezogen werden dürfen, halten das Geschehen durch den kompletten Junkyard hindurch spannend. Es schafft nicht jedes Spiel das man, wenn die grauen Augen eines Charakter für eine halbe Sekunde farbig aufblitzen, sofort Kerzengrade vorm Bildschirm sitzt, weil das sicherlich signifikant ist.

Megami Tensei hat immer etwas den Ruf ab, total unbarmherzig schwer zu sein, und die Hauptteile sind zudem mit starken Wurzeln im Dungeon Crawler zu finden. Jedoch hat Atlus durchaus immer mal wieder versucht, die Serie besonders in Spinoffs zu modernisieren. Sowohl die ersten beiden Devil Summoner sowie die ersten drei Persona auf der ersten PlayStation beispielsweise wollten eine stärkere Handlungs-Ausrichtung bieten, bei dem Devil Summoner dem oldschooligen Spielgeschehen treu blieb, während Persona jüngere Protagonisten und ein simpleres Gameplay anbot. Auch Digital Devil Saga versucht ein Stück weit die alte Ausrichtung der Serie zu modernisieren, ist sozusagen der erste Schritt in der PS2-Generation der Franchise, den „beinharter Schwierigkeitsgrad“-Ruf zu widerlegen.

So hat Digital Devil Saga weiterhin durchaus starke Züge von einem Dungeon Crawler, denn die verschiedenen Kampfgebiete im Spiel sind ausschweifend und tunnelig geraten, es kommt zu so einigen Zufallskämpfen bevor man einen von eventuell mehreren toughen Bossen erreicht. Und das leider ohne den Encounter-Meter, den es in Shin Megami Tensei II und III noch gab, und der langsam übers Erröten angezeigt hat, wie kurz ein Kampf bevorsteht. Jedoch schon aus III übernommen hat DDS die mehrfach vorhandenen Terminals, durch welche die Labyrinthe nicht allzu schwer werden, da an ihnen gespeichert und evtl. sogar geheilt und hin und her gewarpt werden kann. Wer natürlich, nachdem der erste Gegner mit Mudo oder Hama um sich geworfen hat, immer noch keine Instadeath-Resistenz ins Skill-Setup aufnimmt, der ist selbst schuld, muss nach einem Game Over aber immerhin nicht das ganze Dungeon erneut durchschreiten, sondern nur den Weg seit des letzten Terminals erneut begehen. Zudem wird die Monotonie etwas dadurch durchbrochen, dass es in fast jedem Dungeon auch das eine oder andere Puzzle zu lösen gilt, sozusagen analog zu den Fallen in den SNES-Teilen.

Neben einer stärker involvierten und konstant durch dramatische Cutscenes eingebundene Handlung gibt es allerdings auch im Gameplay weitere Nettigkeiten, um die Franchise einem neuen und auch jüngeren Publikum nahe zu bringen. In Digital Devil Saga müssen keine Dämonen ins eigene Team bequatscht werden, denn die eigene Gruppe an fixen Charakteren kann sich in eine festgelegte Dämonengestalt verwandeln. Dadurch gibt es keine Probleme mehr damit, dass nur 4 Skills gelernt werden und alles andere unwiderruflich verloren geht. Stattdessen hat jeder Charakter mit dem Mantra-Grid einen Skillbaum, bei dem der Spieler selbst festlegt, welche Fähigkeit als Nächste eingekauft und anschließend erlernt werden soll, und das natürlich im Kampfgeschehen immer noch eingeschränkte Skill-Setup kann jederzeit außerhalb mit allen bereits erlernten Talenten angepasst werden.

So nutzen sich die Schwächen der Gegner viel besser aus, die Abhängigkeit von Element-Resistenzen bleibt der Franchise nämlich erhalten. Vorher knackige Kämpfe können mit den richtigen Skills im Rematch geradezu trivialisiert oder zumindest vereinfacht werden. Einfach die Fähigkeiten ausrüsten, mit denen die fieseren Attacken des Gegners negiert werden, selbst die mitbringen, gegen die er schwach ist. Unterstützt durch das Press Turn System, durch welches das Treffen einer Schwäche eine Extra-Aktion bedeutet, und das blocken oder sogar absorbieren einer Attacke mehrere Aktionen frisst. Digital Devil Saga mag keine Schwierigkeitsgrade zum Wechseln parat halten, ist jedoch mit etwas Köpfchen und dem Erlernen der richtigen Skills von keiner überzogenen Härte gezeichnet, insgesamt einfacher als Shin Megami Tensei III: Nocturne geraten.

Die Grafik von Digital Devil Saga ist überraschend gut gealtert, was natürlich darauf zurückzuführen ist, dass das Spiel Cel-Shading benutzt und die distinkten Designs von Kazuma Kaneko sowieso nicht super realistisch sind. Durch jene Stilisierung wirken eben auch ältere PS2-Modelle nicht so schnell überholt. Zudem weisen die Cutscenes durchaus sehr gute Inszenierung und Kameraführung auf. Lediglich das Farbschema des Spieles ist (konzeptionell und atmosphärisch gewollt) trist. Wie bereits erwähnt gibt es viel Grau mit wenigen Farbtupfern darinnen.

Die Musik ist dafür so richtig geil geraten, bietet das volle Spektrum von eher melancholisch-leisen Stücken zu aufwühlend rockigen Tracks, je nachdem was für den Moment wichtig ist. Was ich persönlich sowieso immer mag ist, wenn ein Thema in verschiedenen Remixes vorkommt, wie beispielsweise hier die BGM des doch sehr langen Finaldungeons, welches alle paar Tausend Fuß des Turmes eine Veränderung erfährt. Die Sprachausgabe ist übrigens ziemlich gut geraten, sogar insgesamt besser als das später vertonte Persona 3, wobei es etwas an der Lippensynchronität hapert und mich die schrille Sera und der Jamaika-Akzent von Cielo nicht restlos überzeugt haben.

Fazit:
Digital Devil Saga stellt einen sehr gelungenen Brückenschlag zwischen der vorigen und der kommenden Ausrichtung der Megami-Tensei-Franchise dar. Es ist härter und mit mehr klassischer Dungeon-Arbeit verbunden, als dies viele der Nachfolger behaupten können, bleibt aber dennoch insgesamt human und ist durch das Fehlen von Dämonen-Rekrutierung viel simpler als selbst Shin Megami Tensei III: Nocturne noch war. Mit dem Beginn einer echt packenden Handlung und dem immer launigen Elementarschwächen-Gameplay macht das definitiv Lust die Auflösung im zweiten Teil zu erleben.

8 von 10 Punkten