Corpse Party

  • Plattform: PlayStaion Portable
  • Release: 12.08.10 (J), 22.11.11 (US), 14.12.11 (EU)

Bei Corpse Party handelt es sich um eine richtige kleine, japanische Indie-Erfolgsgeschichte. Zu Zeiten des RPG Maker hat jeder Zweite sein eigenes Fanspiel gemacht, der Großteil davon war wenig überraschend absoluter Dreck, doch ein paar Underground-Hits kamen da gerade in Japan zum Vorschein, kurioserweise so gut wie nie welche, die das Programm auch zum Erstellen eines RPGs nutzten. Corpse Party wurde darauf folgend in hübscherer Optik und wesentlich vergrößert und verändert zunächst auf dem PC neu aufgelegt, jene Version bildete letztendlich die Grundlage für die vielen Ports und Sequels, darunter eben auch der hiesige für die PSP.

Eine Gruppe Teenager findet sich nachts in ihrem Klassenzimmer zusammen, um sich bei Kerzenschein Geistergeschichten zu erzählen. Dabei kommt die Legende von Sachiko zur Sprache, laut der vier Grundschüler, darunter auch das Mädchen Sachiko, von einem Wahnsinnigen brutal in ihrem Schulgebäude ermordet wurden. Seither gibt es ein Ritual: Eine Papierfigur zu zerreißen, sich dabei auf Sachiko zu berufen, und die Schnipsel aufbewahren, und man wird für immer Freunde bleiben. Natürlich macht die Truppe den Selbstversuch. Ein Erdbeben und Stromausfall später finden sie sich zu Zweiergruppen zerstreut in einer zerstörten Schule wieder. Aber nicht in der eigenen, in der sie sich getroffen hatten, sondern in der Grundschule, in der Sachiko ums Leben kam.

Was folgt ist ein Spiel, das sich in 5 Kapitel unterteilt, wobei die ersten 4 davon sich jeweils einer Zweiergruppe annehmen, bis die Überlebenden für das Finale zusammenkommen. Jene Kapitel sind mit je ungefähr einer Stunde von überschaubarer Länge, und gestalten sich fast wie ein Visual Novel. Zwischenzeitlich darf zwar immer mal wieder die Charaktere durch einen Gang des Schulgemäuers bewegt oder vor einem Geist davongelaufen werden, doch der Großteil von ihnen besteht daraus den Trigger für die nächste Szene zu finden, die einen erneuten Textschwall mit sich bringt. In denen sich das Spiel allem 2D 16bit-Look und Anime-Optik zum Trotz relativ realistisch annimmt, wie Menschen sich in einer solchen Extremsituation benehmen würden, von unpassend schrägem Verhalten, zur absoluten Aufgabe, zum verbissenen Überlebenswillen, und wie langsam die Fassaden zu bröckeln beginnen. Zumindest wenn Corpse Party nicht die mühsam aufgebaute Atmosphäre urplötzlich damit zerstört, dass ein CG unter den Rock eines erhängten Mädels schauen lässt, zwei Mädels einen Catfight über einen der Jungs haben, oder wir zum dritten Mal daran erinnert werden, dass das kleine Mädchen, welches sich eingeschifft hat, jetzt kein Unterhöschen mehr trägt. Zum Glück bleiben diese Ausartungen der Einzelfall, aber sich über jene nicht durch extremes Augenrollen eine Gleichgewichtsstörung zu holen, und direkt zurück in den Horror tauchen zu wollen, ist merklich schwer.

Nachdem das Ende von Kapitel 4 mit einer offensichtlichen Überraschung aufgewartet hat, treffen sich die wenigen Überlebenden für das letzte Kapitel, welches wesentlich länger gestaltet ist. Und auch mehr Spiel abseits vom Lesen der Textboxen offeriert. Hier muss zwischen mehreren Gruppen hin und her geschaltet werden, um den letzten Geheimnissen der Geschichte auf den Grund zu kommen und sich aus dem verfluchten Gebäude zu puzzeln. Die langen Textpassagen bleiben nicht aus, da Corpse Party schon sehr auf seine Geschichte fokussiert ist, doch das Spielerische dazwischen bekommt mehr Zeit eingeräumt.

Wobei sich Corpse Party leider ein paar derbe Schnitzer erlaubt, die definitiv auf dessen Ursprung als Indie zurückzuführen sind, aber im Remake eines Remakes sicher nicht mehr hätten zu finden sein müssen. Beispielsweise hat jedes Kapitel mehrere Enden zu bieten, darunter in der Regel eines, welches das nächste Kapitel freischaltet. Dazu mehrere Dead Ends, die oftmals nur glorifizierte Game Over sind. Ob in ein solches hineingelaufen wird, dafür sind die Trigger allerdings manchmal mehr als nur obskur, und durchaus auch ganz zu Kapitelbeginn, währen das Dead End allerdings erst gegen Ende erscheinen kann. Das wäre an sich bei der kurzen Spielzeit pro Kapitel nicht so schlimm, wenn die bekannten Textpassagen wie in jedem ordentlichen Visual Novel über eine Skip-Funktion übersprungen oder zumindest schnell vorgespult werden könnten. Corpse Party gibt dem Spieler die Möglichkeit die Eröffnungsszene eines Kapitels zu überspringen, danach jedoch keine einzig andere mehr.

Das A und O eines Horror-Spieles ist und bleibt allerdings die Atmosphäre. Und hier macht Corpse Party eine überraschend gute Figur. Oder vielleicht auch nicht so überraschend, denn bereits das erste Clock Tower hat gut bewiesen, dass dies auch im SNES-Look funktioniert. Die Sprite und Umwelt in Corpse Party mögen 16bit sein, doch bleiben gerade so genug Details, als dass ein aufgefundenes Skelett oder blutverschmierte Wand vorerst überrascht, die teilweise grausam-detaillierten Beschreibungen der Textboxen füllen dann die Lücken. Die eingeblendeten CGs für die meisten Tode sowieso. Der Stereo-Sound ist glasklar und vor allem durch Ambient-Geräusche denn viel Musik gezeichnet. Lediglich an die japanische Sprachausgabe muss sich etwas gewöhnt werden, da die Charaktere doch sehr Anime-sterotyp reden, statt realistisch zur Situation passend.

Fazit:
Es ist wahrscheinlich besser Corpse Party als Horror-Visual-Novel zu sehen, welches den Spieler immer mal wieder kurz das Zepter selbst in die Hand drückt, aber doch zum Großteil aus Text mit vorzeitigen Choose Your Own Adventure Enden besteht. Als solches erlaubt es sich zwar leider ein paar Schnitzer in der Benutzerfreundlichkeit, und auch einen Schluckauf hier oder dort im Ambiente, jedoch bietet es weitestgehend grausam-spannende Unterhaltung unter dichter Atmosphäre.

7 von 10 Punkten