Drakengard 2

  • Plattform: PlayStation 2
  • Release: 16.06.05 (J), 14.02.06 (US), 03.03.06 (EU)

Drakengard war eines der wenigen Spiele, die es fertig gebracht haben, trotz Square-Enix-Logo auf der Verpackung von den meisten Spielern überhaupt nicht wahrgenommen zu werden, anstatt das alle gleich wie die Lemminge in die Kaufhäuser rennen. Mich eingeschlossen. Erst als es Anfang 2006 für nen Appel und nen Ei rausgehauen wurde, um überhaupt ein paar Kopien aus dem Lager zu bekommen, wurde ich drauf aufmerksam und dachte bei dem Deal kann man’s ja mal versuchen. Tatsächlich war es ein roher Edelstein von einem Spiel, mit interessanten Charakteren und einer bitterbösen wendungsreichen Geschichte, die mich in den Bann zogen und selbst über das nicht gerade mit Feinschliff versehene Gameplay getragen haben.

Umso überraschter war ich, dass man bei Square-Enix tatsächlich Cavia grünes Licht zur Produktion einer Fortsetzung gegeben hat, anstatt wegen nicht herausragender Verkaufzahlen doch lieber das Geld in ein weiteres Dragon Quest, Kingdom Hearts, Final Fantasy oder die Kreuzigung der Mana-Serie zu stecken. Belohnt wurden sie dafür allerdings nicht gerade, von der Existenz der Fortsetzung haben tatsächlich noch weniger Leute etwas mitbekommen, als noch beim Erstling.

Im Idealfall hätte man die Stärken des Vorgängers übernommen und die Schwächen ausgebessert. Cavia fand es aber angebrachter die Schwachpunkte so marginal zu verändern, dass es keinen Unterschied macht und die Glanzpunkte komplett zu streichen.

Schwachpunkt Gameplay blieb somit dem Vorgänger relativ treu. Der geradlinige Spielverlauf ist wie gewohnt in Kapitel und diese wiederum in Verse unterteilt, was nur ein cooles Wort für Missionen ist. Die entweder – und am Häufigsten – zu Land als Hordenschnetzler a la Dynasty Warriors oder auf dem Rücken des Drachens in der Luft ähnlich einem Shoot em up stattfinden. Tatsächlich ist es auch weiterhin in kürzeren Intervallen gespielt durchaus spaßig mit seiner Ein-Mann-Armee durch mehrere Hundertschaften von Gegnern zu prügeln. Wie so häufig im Genre wird’s mit zunehmender Spieldauer in einer durchgängigen Spielsession allerdings auch ermüdend. Die Veränderungen zum Vorgänger sind wie erwähnt marginal. Die Gegner machen nun etwas mehr Schaden und können etwas besser blocken, wirklich intelligenter handeln tun sie allerdings nicht. Dadurch muss man etwas öfter tatsächlich mal Blocken oder eine Magie zur Hilfe um sich werfen, die meiste Zeit ist allerdings weiterhin Button-Mashing angesagt. Zwar gibt es eine Vielzahl an Waffen, die über ihre 4 erreichbaren Levelstufen auch verschiedene Angriffskombinationen und stärkere Magie lernen, letztendlich erwischt man sich doch dabei, wie man der Einfachheit halber eben die stärkste Waffe der jeweiligen Gruppe mitnimmt und die bei allen auf der ersten Stufe gleiche Schagkombo per wiederholtem Angriffknopf klöppeln benutzt.

Was man für etwas mehr Taktik ebenfalls ausgebaut hat ist das Mitstreitersystem und die Nützlichkeit verschiedener Waffengruppen gegen verschiedene Gegner. Eine Waffe wird entweder in Schwert, Langschwert, Stab, Speer oder Axt einkategorisiert. Gegner als Mensch, Biest, Untoter oder Magier. Äxte sind nun z.B. besonders effektiv gegen Biester, machen normalen Schaden bei Menschen und verringerten bei Magiern etc. pp. Das gab’s zwar schon im Vorgänger, da waren die Unterschiede aber so geringfügig, dass es letztendlich quasi keinen Unterschied machte, womit man sich durchgeprügelt hat. In Drakengard 2 muss man tatsächlich je nach Gegnergruppe immer mal wieder zu einer anderen Waffenart greifen. Und während die Mitstreiter im Erstling noch zeitlich begrenzte Summons waren, gehört im zweiten Teil zu jeder Waffenart ein fester, permanent spielbarer Charakter. Nette Idee, führt es allerdings nur dazu, dass man nun mehrere Charaktere leveln muss und man von gewissen Waffenarten komplett ausgeschlossen wird, wenn der dazugehörige Charakter Storybedingt nicht mehr im Team ist.

Die Shooter-Einlagen in den Flugmissionen sind weitestgehend gleich geblieben. Anstatt ebenfalls eine Magieleiste zu haben hinterlassen nun allerdings abgeschossene Gegner diverse Spezialattacken für den Drachen… wodurch es noch mehr wie ein Shoot em up wirkt. Die meisten Gegner sitzen dabei weiterhin schön brav stationär an einer Stelle und lassen sich mit mehr oder weniger aggressivem Gegenfeuer abschießen. Zum Glück, Legna lässt sich nämlich so schlecht steuern, dass man bei jedem agilen Gegner, der alle Jubeljahre mal auftaucht, einen Ausraster bekommen könnte.

Neu hinzu kommen auch Shops und Items. Während man im Vorgänger nur geheilt wurde, wenn Gegner nach ausreichend langer Schlagkombo einen Heilorb hinterlassen haben, kann man nun tatsächlich Heilitems kaufen und nach Belieben einsetzen, was vor allem die Bosskämpfe erleichtert. Zusammen mit den austauschbaren Charakteren – alle mit eigener Lebensleiste – ist das Spiel insgesamt etwas einfacher. Zusätzlich kann man erneut zwischen Schwierigkeitsgraden wählen, allerdings nicht mehr im Spielverlauf ändern.

Soviel also zum leicht abgeänderten im Prinzip immer noch eher durchschnittlichen Gameplay. Aber was wurde aus dem Glanzpunkt des Vorgängers, Story und Charaktere?

Drakengard 2 spielt 18 Jahre nach dem Erstling. Nowe ist Frischling bei den Rittern des Siegelordens, die das Land beschützen, indem sie die Siegel bewachen. Bis er auf Manah (vor 18 Jahren noch ein misshandeltes psychopatisches Kleinkind, das die Welt vor den Untergang gebracht hat – Heute gutherzige instant love interest RPG-Heroine extravaganza) trifft, die ihm erst Mal erklärt, dass die „Märtyrer“, die in den Distrikten des Siegels leben, das Dahinvegetieren für deren Erhalt gar nicht so pralle finden und man die armen doch befreien sollte. Nowe bricht also mit dem bösen Ritterorden, macht es sich zum Auftrag das unterdrückte Volk zu befreien und verliebt sich nebenbei noch in die holde Manah. Ein paar meilenweit im Voraus zu erahnende Storywendungen aus dem jRPG 101 natürlich inbegriffen.

Oder kurz gesagt: Die Charaktere sind die typischen herzensguten „Ich geh mal die Welt retten, weil irgendwer muss ja“ Klischees in einer weitestgehend vorhersehbaren 08/15-RPG-Story. Keine bitterbösen Wendungen und Überraschungen wie noch im Vorgänger. Keine Ausnahmecharaktere. Keine Thematiken a la Inzest, Kannibalismus oder Kindesmissbrauch. Sicherlich, Drakengard 2 hat immer noch ein düsteres Setting, aber was den Vorgänger noch so aus der Masse hervorgehoben hat, ist fort. Die einzigen interessanten Charaktere sind wieder die Paktpartner, über die man diesmal aber im Prinzip gar nix herausfindet, sondern sie nach zwei kurzen Sätzen als Bossgegner auseinander nimmt. Lichtblick ist das erneute Auftauchen von Caim und Angelus, deren sich im ersten Teil entwickelte interessante Beziehung hier viel zu schnell ein Ende findet, um wirklich noch was nachhaltig aufzuwerten. Wer den Vorgänger nicht gespielt hat, bekommt sowieso kaum mit, dass die beiden eigentlich wichtig sein sollen, so schnell bringt Teil 2 sie um die Ecke.

Zu Erreichen gibt es wieder multiple Enden, hier 3 an der Zahl. Während im ersten Teil allerdings nach einem erhaltenen Ende einfach ein neues Kapitel aufging, das zum nächsten führte, muss man in Drakengard 2 das Spiel komplett noch ein zweites und drittes Mal für diese durchspielen – und ist dabei automatisch auf den schweren und extra schweren Schwierigkeitsgrad gemünzt. Nach dem ersten Durchspielen, inklusive dem ersten nicht gerade berauschendem Ende, hatte ich allerdings für diese Aktion keine Motivation mehr.

Von der technischen Seite betrachtet hat sich ebenfalls nur im Detail etwas geändert. Optisch ist Drakengard 2 eine durchwachsene Angelegenheit. Die FMVs sehen toll aus. Leider werden für viele Zwischensequenzen die Ingame Modelle benutzt. Die sehen in den Kampfgebieten auch ausreichend detailliert aus, wenn die Kamera allerdings für diese Szenen extra nahe ranzoomt, sind sie schon weitaus weniger hübsch. Und gestikulieren oft sehr seltsam durch die Gegend. Den Vogel abschießen tun dann allerdings ein paar Sequenzen, die nur in Standbild-Slideshows erzählt werden. Wieder die Ingame-Grafik nutzend, aber diesmal eben in recht verpixelten Standbildern. In den Kampfarealen an sich gehen die Modelle wie gesagt voll in Ordnung, allerdings sind die Areale etwas arg trist gehalten und sonderlich viele unterschiedliche Gegner gibt es immer noch nicht – dafür treten beim Hordenschnetzeln auch keinerlei Slowdowns auf. Am sehr wuchtigen und orchestralen Soundtrack gibt es hingegen absolut nix zu bemängeln, ebenso an der insgesamt guten englischen Synchro. Sicherlich kommen ein paar der Sätze von Nowe und Manah etwas seltsam rüber und insgesamt kann die Synchro des Erstlings nicht erreicht werden, aber das sind die Ausnahmen und bei weitem nicht die Regel.

Fazit:
Oh Cavia, was hast du getan? Dem Erstling mag der nötige Feinschliff im Button-Mashing Gamepaly gefehlt haben, dafür konnte er mit Ausnahmecharakteren, der interessanten Beziehung zwischen Caim und Angelus und einer düsteren, hundsgemeinen und wendungsreichen Story glänzen…
Und dann wird mit dem Nachfolger ein Spiel mit fast identischem Gameplay aber zutiefst langweiligen Standard-Charakteren und in einer ebenso langweiligen 08/15-Story abgeliefert. Wirklich schade, aber Drakengard 2 ist allenfalls ein mittelmäßiges Spiel und ein absolut beschämender Nachfolger geworden.

5 von 10 Punkten